Kunstlandschaft Oberpfalz

Albrecht Altdorfer – Burg Wörth a.d. Donau

Vortrag von Bernhard M. Baron anlässlich einer Ausstellungseröffnung in der Sparkasse Neustadt/WN am 11. November 2010

Die heutige Oberpfalz, der Landstrich zwischen Stiftland und Regensburg, der ursprüngliche historische “Nordgau”, ist eine klassisch gewachsene deutsche Kunstlandschaft mit reizvollen Zielen und interessanten Künstlernamen.

Der “Oberpfälzer Kunstverein Weiden” (OKV), unter ihnen der Kurator und Bildhauer (böhmischer Herkunft) Günther Mauermann, ist für seine hohen Ansprüche und Erwartungen überregional bestens bekannt. Belegt durch Namen und Mitglieder repräsentiert der OKV unter dem Vorsitz von Gerhard Bihler den Regierungsbezirk Oberpfalz.

Somit stehen nicht nur für die „Jugendstil-Stadt“ Weiden markante Namen wie Franz Friedrich, Eduard Götz, Wilhelm Vierling, Josef Linhardt oder Friedrich Roscher, – der geistige Hintergrund einer wirklichen Tradition der OBERPFÄLZER KUNSTLANDSCHAFT ist lokal-geographisch viel breiter anzusiedeln. Er umfasst das ganze künstlerische kulturgeschichtliche Spektrum.

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Am Anfang steht Albrecht Altdorfer (um 1430 – 1538), der Regensburger Maler, Graphiker und Hauptmeister der „Donauschule“, der Schöpfer des modernen Landschaftsbildes („Donaulandschaft mit Schloß Wörth“, um 1522). Ignatz Günther (1725 – 1775) war der führende Bildschnitzer des bayerischen Rokoko, vorangegangen ist ihm der Waldsassener Bildhauer Carl Stilp (1668 – 1735). Bleibend sind auch die Werke der großen Künstlerfamilien Asam und Dientzenhofer in der Oberpfalz, nicht zu übersehen hier in der Kreisstadt das Lobkowitzer-Schloß des Italieners Antonio de la Porta.

Vieltalent Johann Wolfgang von Goethe skizziert auf seiner ersten „Italienischen Reise“ im September 1786 die Bleistift-Zeichnung „Donau bei Regensburg“. Der großartige englische Landschaftsmaler William Turner reist (von Venedig aus kommend) durch die Oberpfalz (Richtung Coburg) und malt im September 1840 „The Opening of the Walhalla“. Das Gemälde hängt heute in der Tate Gallery in London. Bereits 1839 hatte Leo von Klenze die von ihm entworfene „Walhalla“ (zusammen mit der benachbarten Salvator-Kirche) in der weiten Donaulandschaft gemalt.

Carl Spitzweg, der malende Apotheker, verewigte 1858 in Schwandorf den historischen „Blasturm“ – den Wohnsitz des Komponisten unserer Bayern-Hymne Max Kunz – als Naturstudie mit dem Titel „Schwandorfer Stadtturm im Mondschein“. Es ist heute in der „Städtischen Sammlung Schweinfurt“ zu sehen.

Der Philosoph Friedrich Wilhelm Nietzsche zeichnet auf seiner „Reise in den Böhmerwald“ im August 1876 in Regensburg und begnügt sich mit einem Wirtshausschild.

Wassily Kandinsky, russischer Maler und Mitbegründer der expressionistischen Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“, entdeckt im Sommer 1903 Kallmünz und die dortige Künstlerkolonie. Kandinsky, Oberhaupt der „Gruppe Phalanx“, kommt aber auch nach Nabburg und skizziert dort. In Kallmünz verlobte sich (der bereits in Russland verheiratete) Kandinsky mit der oberbayerischen Malerin Gabriele Münter.

Im Sommer 1942 agiert der Luftwaffen-Funker Joseph Beuys (1921 – 1986) auf dem Weidener „Feldflugplatz“ Maierhof bei Rothenstadt. Was der spätere dokumenta-Aktionist hier gezeichnet hat – und er zeichnete in jenen Jahren schon viel und gut! – ist uns bis heute leider nicht bekannt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird für den Schlesier Willi Ulfig (1910 – 1983) Regensburg seine neue künstlerische Heimat. Das Atelier des bedeutendsten Regensburger Künstlers war gleich neben dem Dom, und das riesige Dachfenster zeigte direkt auf die gotische Fassade von St. Peter. Willi Ulfig war auch der Repräsentant der „Donau-Wald-Gruppe“.

Ein „Zougrouster“ (= Zugereister) war auch Kurt von Unruh (1894 – 1986), der 1941 an die Burg Regenpeilstein zog und seit 1952 in Roding ansässig war. Der General-Spross und Bruder des Dramatikers Fritz von Unruh, ist in seiner ganzen künstlerischen Arbeit (seit 1913) in genialer Weise von der inneren Vision erfüllt, die er mit seinem Stift zu packen versucht.

Der wohl bekannteste Oberpfälzer Maler und Zeichner der Gegenwart ist zweifellos Michael Mathias Prechtl (1926 – 2003), ein gebürtiger Amberger. Durch seinen langjährigen Wohnort Nürnberg gilt er als Franke. Weiterhin bleibt er der Oberpfalz verbunden. 1960 schneidet er 28 Holzstiche zu Schönwerths „Oberpfälzer Sagen“ – eine Hommage an seine Oberpfälzer Heimat. Prechtl illustrierte bereits 1952 Anton Wurzers „Steinpfälzer Schelmenspiegel“. Die jahrelangen Titelbilder des Nachrichten-Magazins DER SPIEGEL und klassische Buchillustrationen machten Prechtl letztlich zu einem populären Zeichner von Weltruf.

Umgekehrt gilt der in Amberg lebende und arbeitende Künstler Günter Dollhopf (Jg. 37) als Oberpfälzer. Der in Nürnberg Geborene lehrte von 1973 – 1997 als Professor an der Nürnberger Akademie.

In den 60er Jahren setzte in München die 1957 gegründete Künstler- „Gruppe Spur“ (- 1965) unter den Malern Heimrad Prem, Helmut Sturm, HP Zimmer und dem Bildhauer Lothar Fischer avantgardistische Akzente. Sie gelten kunstgeschichtlich als die Vorläufer der „neuen Wilden“. Museen in Cham (seit 1991) und Neumarkt (seit 2004) widmen sich ihrer Kunst, da die Lebensläufe in die Oberpfalz weisen.

Für die vielen Namen der Oberpfälzer Maler und Grafiker stehen stellvertretend der Meister der Oberpfälzer Moderne, der Nabburger Paul Schinner (geboren 1937 in Windischeschenbach), einem exzellenten zeichnerischen Bildkünstlers mit beeindruckenden visuell-humanitären Beiträgen und Rupert D. Preißl (1925 – 2003), der sich noch an Alfred Kubin und besonders an Oskar Kokoschka orientierte. Als langjähriger „Präsident des Oberpfälzer Kulturbundes“ (OKB) war Preißl vor allem für das Gelingen der markanten Oberpfälzer „Nordgautage“ zuständig.

Es sind nicht nur die Künstler, die das Profil gestalten, sondern es ist auch die beeindruckende Museen-Landschaft der Oberpfalz. Es sei hier vor allem auf das „Museum Ostdeutsche Galerie“ (begründet 1966) in dem reizvollen Jugendstilbau des Jahres 1910 im Regensburger Stadtpark hingewiesen, das Gemälde, Graphiken und Plastiken von namhaften Künstlern aus den ehemaligen deutschen Kultur- und Siedlungsgebieten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa enthält: Adolph von Menzel, Emil Orlik, Ernst Ludwig Kirchner oder Oskar Kokoschka lassen grüßen. Aber auch zeitgenössische Künstler wie Anselm Kiefer oder Bernhard Heisig zählen dazu. Zahlreiche Sonderausstellungen (O. H. Hajek, Janosch und Lovis Corinth) setzten überregional Akzente.

Neue Wege in der Kunst geht Wilhelm Koch mit seinem 2006 im Amberger „Klösterl“ begründeten „Luftmuseum“ (ursprünglich „Gummeum“ genannt), das in Kunst-Architektur-Design-Technik wohl weltweit das erste und einzige Luft-Museum darstellt. Besonders erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang das „Oberpfälzer Künstlerhaus“ des Bezirks Oberpfalz in Schwandorf-Fronberg, das seit 1988 unter der versierten Leitung des Grafikers Heiner Riepl (Jg. 48) überregionale Akzente setzt, die bis Skandinavien und USA reichen…

Wenn wir in die Gegenwart kommen, so stellt man fest, dass die Bildende Kunst gegenwärtig in der Oberpfalz eine Renaissance erlebt. Dazu tragen auch die verschiedensten Galerien und Kunst-Initiativen bei – mit teils grenzüberschreitenden Aktionen und Workshops. So kam es unter Initiative vom Vorsitzenden des „Weidener Kunstvereins“ Wolfgang Herzer als engagiertem Netzwerker, der schon 1987 mit Alfred Hertrich und Erwin Schlott in Windischeschenbach die „FUTURA-artothek“ begründet hatte, zur Gründung der Kulturkooperative KoOPf. Der hohe Qualitätsanspruch verleiht der einheimischen Kunst und Kultur – dazu zähle ich auch das ausgezeichnete „Freie Institut für Kunst + Design“ der beiden Neustädter Künstler Lilo und Max Fischer – entsprechendes Gewicht in der Oberpfalz.

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Dies ist eine kleine Blütenlese, sie ist auch als ein LOBPREIS AUF UNSERE KUNSTLANDSCHAFT OBERPFALZ gedacht. Wie in vergangenen Zeiten ist auch in der Gegenwart unsere Heimat wieder eine wichtige BRÜCKE ZWISCHEN OST UND WEST („Grenzland – Brückenland“ lautete schon 1991 das Thema der 7. Weidener Literaturtage und „Brückenbauer“ heißen die Kulturpreise des kreativen Bayerisch-Böhmischen Kulturzentrums – auch CENTRUM BAVARIA BOHEMIA (CeBB) genannt – in Schönsee).

Wie in vergangenen Zeiten, als die „Goldene Straße“ 1316 von Nürnberg durch die Oberpfalz und Böhmen ins „Goldene Prag“ führte, später die „Reichsstraße 14“ folgte und seit 1989 die Bundesautobahn 6 „Via Carolina“ an die klangvolle Tradition der renommierten Handelsstraße erinnert, ist auch heute unsere Heimat Oberpfalz wieder eine wichtige Brücke zwischen Ost und West. Dies ist auch eine Aufgabe für die gegenwärtig schaffenden Künstler! Die Oberpfalz ist eine klassische Kunstlandschaft, die es wert ist, wieder (visuell & touristisch) neu entdeckt zu werden. Diese Reise lohnt sich !